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Zwischenergebnis Umfrage 2001
IGAP Umfrageaktion 2001- Auswertung
"Schlafverhalten bei Kindern mit einem Handicap"
Inhalte:
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Einleitung
Der Mensch verbringt ein Drittel seines Lebens mit Schlaf.
Die Schlafqualität beeinflusst das Befinden und die Leistungsfähigkeit
des Menschen. Gesunder und erholsamer Schlaf ermöglicht
die Leistungsfähigkeit am Tag, wobei das Schlafbedürfnis
individuell sehr verschieden ist. Bestreben sollte sein,
dass jeder Mensch ausreichend und gesund schläft. Jedoch
leidet jeder zehnte gesunde Erwachsene unter einer Form
von Schlaflosigkeit und die Häufigkeitsangaben bei Kindern
gehen in der Literatur bis zu 30%. Bei der Auswertung einer
Umfrage der Zeitschrift Eltern fand man heraus, dass sogar
50% der 0-10-jährigen unter Durchschlafstörungen litten.
Bei Kindern stellt dies eine besondere Situation dar, da
auch ihre Eltern betroffen sind und aus dem Schlaf gerissen
werden. Somit kann sich sowohl der Körper der Eltern und
als auch der Kinder nicht entspannen und erholen. Die gesamte
Familiensituation ist diesem Ereignis ausgesetzt. Bei der
Durchsicht der Literatur konnten aber nur wenige Aussagen
über das Schlafverhalten von Kindern mit Handicap gefunden
werden bzw. es wurde keine Differenzierung bezüglich des
Handicaps oder des Alters vorgenommen. Die Lage in der sich
Kinder mit Handicap und deren Eltern befinden liegt im Ungewissen.
Gerade in einer Gesellschaft, in der die Integration von
Menschen mit Behinderungen zunehmend Beachtung findet und
wo ein Antidiskriminierungsgrundsatz im Grundgesetz verankert
ist, sollte der Bereich des Schlafes nicht unberücksichtigt
bleiben. Denn ein gesunder, erholsamer Schlaf ermöglichen
den Ablauf und den Anforderungen des Tages besser gerecht
zu werden.
Dieser Sachverhalt war der Auslöser für eine Fragebogenaktion.
Ziel dieses Fragebogens ist es, Hilfestellungen zur Unterstützung
des Schlafverhaltens behinderter Kinder geben zu können.
Um in dieser Hinsicht aktiv werden zu können, muss erst
einmal eine Grundlage geschaffen werden, die Aufschluss
über die vielfältigen Probleme der Schlafstörungen gibt
bzw. die Bedingungen und das Vorkommen bei Kindern mit Handicap
beleuchtet.
Dabei ist jedoch zu bedenken, dass Besonderheiten
physischer oder krankheitsbedingter Art berücksichtigt und
in die Überlegungen mit einbezogen werden müssen; als Beispiel
seien nur epileptische Anfälle oder Spasmen genannt.
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Herangehensweise
Der Fragebogen wurde nach einer umfassenden Literaturrecherche
entwickelt und nach einem Vortest mit Eltern einer Selbsthilfegruppe
für Kinder mit Handicap korrigiert, verändert und verbessert.
Der Fragebogen wurde an einen Elternverein und eine Frühförderstelle
versendet oder war per Online-Dokument bzw. Download über
die IGAP-Internet-Site erhältlich.
Bis zum 31.07.2001 wurden 94 Fragebögen ausgefüllt, wovon
44 Fragebögen aus dem Internet zurückkamen.
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Allgemeine Daten
Das Durchschnittsalter der Kinder betrug 5,7 Jahre, wobei
der Rücklauf eine Altersspanne von 7 Monaten bis 20,1 Jahre
umfasste. Es waren sehr heterogene Krankheitsbilder, wobei
eine vermehrte Häufigkeit bei cerebral paretischen Kindern
(22), Trisomie 21 (12) und Kindern mit Anfallsleiden lag
(15). Auch die Ausdrucksmöglichkeiten der Kinder waren sehr
vielfältig. 31 von 94 Kindern können sich mit Worten ausdrücken,
eigenständig sitzen und gehen. 12 von 94 Kindern können
sich mit Gestik oder Mimik ausdrücken und nicht ohne Hilfe
sitzen oder gehen. Die anderen Kinder waren Kombinationen
aus den vorhandenen Möglichkeiten. 9 von 92 Kinder bekommen
Medikamente, die den Schlaf fördern und 1 von 91 Kindern
bekommt Medikamente, die anregend wirken.
Abb. 1: Diagnosen
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Schlaf und Schlafverhalten der Kinder
Schlaf und Schlafdauer
Durchschnittlich schliefen die Kinder 10,62 Stunden bei
einer maximalen Schlafdauer von 15 und minimalen Schlafdauer
von 3,5 Stunden, wobei der Durchschnitt bei dem nächtlichen
Schlaf bei 9,59 und der Schlaf am Tag bei 1,2 Stunden lag.
Die durchschnittliche Einschlafdauer der Kinder lag bei
42,21 Minuten bei Extremwerten zwischen 5 Minuten und 3
Stunden. 71 von 93 Eltern beurteilten die Schlafdauer ihres
Kindes als ausreichend.
Einschlafritual
Auf die Frage nach einem Einschlafritual antworteten 65
Eltern, dass sie ein Ritual haben, während 28 angaben kein
Ritual zum Einschlafen zu nutzen. Die häufigsten genannten
Einschlafrituale lassen sich in die Kategorien Körperkontakt
/ körperliche Nähe (32), musikalische / akustische Zeremonie
(32), vorlesen / erzählen (24) und ein geregelter Ablauf
bei der Abendtoilette (14) einordnen. Bevorzugt mögen die
Kinder Kuscheltiere (49), Musik (25) oder ihre Flasche (25)
zum Einschlafen, jedoch war hier eine weite Streubreite
zu verzeichnen (siehe Abb. 3:
Was mag / benötigt Ihr Kind zum Einschlafen?).
Abb. 2: Art des Einschlafritus
- musikalisch / akustisch = 32
- vorlesen, erzählen, reden = 24
- Abendtoilette = 14
- Körperkontakt / körperliche Nähe = 32
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Schlaf des Kindes (k)ein Problem?
29 von 92 Eltern gaben an, dass das abendliche Zubettgehen
ihres Kindes ein Problem darstellt. Dabei waren die Gründe,
die die Eltern anführten, dass das Kind nicht alleine einschlafen
kann (8), das Kind nicht im Bett liegen bleibt (7) und das
Kind nicht ins Bett will (6), weitere Nennungen waren Hyperaktivität
und Schreiattacken (je 3), wobei 5 Eltern keine Angabe zu
den Gründen machten.
26 Eltern gaben an, dass ihr Kind durchschläft, während
25 vermerkten, dass ihr Kind nicht durchschläft, zusätzlich
ergab der Fragebogen, dass es bei 41 Kindern unterschiedlich
ist, ob sie durchschlafen. Dabei benötigen 48 Kinder immer
den Beistand ihrer Eltern, um wieder einschlafen zu können,
bei 28 Kindern ist dies unterschiedlich. Durchschnittlich
wacht jedes Kind 2,44 Mal pro Nacht auf, wobei eine weite
Streuung in den Werten zu verzeichnen ist (0-20x pro Nacht).
Was mag / benötigt Ihr Kind zum Einschlafen?
Abb. 3: Einschlafspielzeug
- Kuscheltier = 49
- Spieluhr = 9
- Schnuller = 11
- Lieblingsspielzeug = 19
- Musik = 25
- Flasche = 25
- Schmusedecke = 6
- Anderes = 36
- Kissen, Tuch = 8
- körperliche Nähe = 4
- vorlesen, reden = 4
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Auswirkung auf das Kind und die Familie
Die Auswirkungen auf das Kind, die Eltern und das Familienleben
sind vielfältig. Wenn das Kind schlecht geschlafen hat ist
es unzufrieden / schlecht gelaunt (40), weinerlich (21),
unmotiviert (10), bis hin zu feststellbaren medizinisch
/ therapeutischen Verschlechterungen (11) und aggressiven
Verhaltensweisen (7).
Die Eltern sind durch die nächtlichen Unterbrechungen ihres
Schlafs müde (24), reizbar (18), leiden an gestörtem Schlafverhalten
(12) und Erschöpfungszuständen (10) und sind im Tagesablauf
bei allen Tätigkeiten gestresst (8) im Extremfall mündet
dies sogar in einer körperlichen Erkrankung (1).
Abb. 4: Erkennungszeichen - schlecht geschlafen
- unzufrieden / schlecht gelaunt = 40
- aggressiv = 7
- weinerlich = 21
- problematisches Versorgen = 1
- med. / therapeutische Verschlechterung = 11
- Automatismen = 1
- will nicht essen = 4
- sucht körperliche Nähe = 4
- unmotiviert = 10
- müde = 3
- Unruhe = 1
- unselbstständig = 1
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Durch diese Belastungen leidet auch das Familienleben:
Die Eltern haben ein gestörtes Familienleben (8) und häufiger
Auseinandersetzungen in der Familie (10). Ferner ein eingeschränktes
Sozialleben mit eingeschränkten Sozialkontakten (5). Dagegen
stehen positive Auswirkungen nach einer Nacht mit ausreichend
Schlaf: Die Kinder sind zufriedener / gut gelaunt (52) und
aktiv (28), wobei bemerkenswert ist, dass bei gutem Schlaf
weniger und allgemeinere Aussagen gemacht wurden.
Abb. 5: Mangelnder Schlaf - Auswirkungen auf das Familienleben
- Müdigkeit = 24
- gestörtes Schlafverhalten der Eltern = 12
- Familienknatsch = 10
- reizbar = 18
- Erschöpfungszustände = 10
- körperliche Erkrankung = 1
- Stress = 8
- eingeschränktes Sozialleben / Kontakte = 5
- gestörtes Familienleben = 8
- Beschwerden der Nachbarn = 1
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Bett und Bettumgebung
75 von 87 Kinder schlafen in einem handelsüblichen Bett
und 88 von 93 haben eine handelsübliche Matratze im Bett
liegen, dabei geht die vorwiegende Tendenz zu Federkern-
(25) und Schaumstoffmatratzen (19), es folgen Latex- (10),
Kokos- (8) und Rosshaarmatratze (6), wobei zusätzlich bei
12 von 92 Kindern Lagerungshilfsmittel sich mit im Bett
befinden. Bei den Lagerungshilfsmitteln werden bei 7 Kindern
improvisierte Hilfsmittel, wie Decken und ähnliches, und
bei 4 Kindern Lagerungskissen verwendet.
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Zusammenfassung
Bei der Befragung konnte ein umfassendes Bild erhalten
werden, das einen Einblick in den Bereich des Schlafes und
Schlafverhalten behinderter Kinder und die Auswirkungen
auf das Familienleben gewährt.
Die Ergebnisse zeigen, dass auch ein Drittel der behinderten
Kinder an Einschlafproblemen leiden und zwei Drittel der
Kinder nicht immer durchschlafen. Nächtliches Aufwachen
ist in der Schlafphysiologie ein normales Ereignis, der
Mensch wacht auf, schläft aber ohne es wahrzunehmen wieder
ein. Die Hälfte der Eltern gaben aber an, dass ihre Kinder
Beistand benötigen, zusätzlich gab ein weiteres Drittel
an, dass es unterschiedlich sei, ob ihre Kinder Beistand
benötigen, um wieder einschlafen zu können. Dies stellt
eine doppelte Belastung für Eltern und Kind dar, was sich
auf die Leistungs- und Belastungsfähigkeit, sowie auf die
therapeutischen Erfolge auswirkt.
Ziel muss es sein, Eltern und Kinder zu unterstützen und
zu entlasten, so dass sie ein erhöhtes Wohlbefinden, sowie
eine längere Schlafdauer erreichen können, dabei sollten
Faktoren ausgeschlossen werden, die dies beeinträchtigen.
Es können viele Hilfen in eigener Regie durchgeführt werden.
Es können Schlafrituale eingeführt werden, die helfen, dass
Kinder zur Ruhe kommen bzw. als Signale angesehen werden,
dass nun Schlafenszeit ist. Zwei Drittel der Eltern nutzen
bereits diese Möglichkeit für ihre Kinder.
Ferner finden sich für die Eltern auch im therapeutischen
Bereich Möglichkeiten, den Kindern eine geregelte Schlafstruktur
zu vermitteln, mit Hilfe von gezielt eingesetzten Maßnahmen,
wobei jedoch der behandelnde Kinderarzt konsultiert werden
sollte, mit dem diese Maßnahmen abgesprochen werden sollten.
Hierbei handelt es sich um verhaltenstherapeutische Maßnahmen,
die dem Kind helfen zu einem geregelten Schlaf zu finden
und ein Gefühl für Tages- und Nachtzeiten mit Hilfe von
Strukturen und Ereignissen zu finden.
Aber auch das richtige Bett und die richtige Matratze können
eine Möglichkeit für besseren Schlaf sein. Eine atmungsaktive,
allergenfreie Matratze, die ein angenehmes Bettklima unterstützt
und eine dem Schlaf angemessene Temperatur gewährleistet
kann ebenso wichtig sein, wie die Reduzierung von pflegerisch-notwendigen
nächtlichen Störungen.
Die Eltern sollten überprüfen, ob ihr gewähltes Bett bzw.
Matratze adäquat für ihr Kind ist. (86% der Befragten haben
ein handelsübliches Kinderbett und 94,5% der Befragten besitzen
eine Matratze aus dem normalen Handel.) Dabei sollte auch
das Matratzenmaterial Berücksichtigung finden, oder ob ggf.
dort die Ursachen für nächtliche Schlafstörungen zu suchen
sind. Gegebenenfalls werden spezielle Betten und Matratzen
für die Kinder benötigt, so dass Ursachen wie Schmerzen
und Druck verhindert werden oder auf den Einsatz von Lagerungsintervallen
zunehmend verzichtet werden kann.
Ein weiterer Punkt in diesem Zusammenhang stellt eine angenehme
Temperatur im Bett und somit ein entsprechendes Bettklima
dar, es sollte geprüft werden, ob Lagerungsmaterialien benötigt
werden und wenn diese Antwort positiv ausfällt, sollten
diese auf ein notwendiges Minimum auch im Hinblick auf das
Hautklima reduziert werden, um dem Kind ein Gefühl des Wohlbefindens
eher zu ermöglichen.
Quelle:
IGAP - Institut für innovationen im Gesundheitswesen
und angewandte Pflegeforschung,
Text und wissenschaftliche Beratung: Maren Melke, Fachschwester
für pädiatrische Intensivpflege und Diplom-Pflegewirtin
© 2001
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